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Gastkolumne vom November 2001

 Auf Balkonias Esstisch steht eine Vase mit einer roten Rose, die mich seit nun mehr fast einer Woche daran erinnert, dass Balkonia die Rosenbäumchen schneiden sollte - was bei diesem schönen Wetter ja keine Plage wäre, aber diese Arbeit ist für mich immer ein so endgültiger Eintritt in die Winterzeit und den stüdele ich so lange wie möglich hinaus. Die Rose hat Balkonia vom Luzerner Blueme-Bürgi mit der Bemerkung: "die wird lange halten, es ist eine Schweizer Rose", geschenkt bekommen und ich habe beschlossen, dass diese Schweizerin mit ihrem Verblühen bei uns den Winter einläuten soll, was noch ein paar Tage dauern dürfte. Hoffentlich! Auf dem Balkon blüht es nämlich nach wie vor. Bienen krabbeln auf der Sundaze herum und sammeln den letzten Honig, die als Spiessbürger belächelten Geranien machen unermüdlich Blümchen, selbst der Basilikum trotzt den kalten Nächten. Die haben alle kein Radio gehört, dort haben nämlich die Muotitaler Wetterfrösche unisono einen kalten schneereichen Winter vorhergesagt. Tröstlich, dass die sich häufig irren.

Ruf mal schnell die SBB an und frag, zu welcher Zeit die mit ihren Verladezügen von Göschenen respektive von Airolo aus abfahren, bittet mich Kaspar. Balkonia sucht also die Auskunftsnummer unserer Landesbahn. Kaspar, sag ich, das kostet 1,19 Franken pro Minute. Das wird uns nicht ruinieren, kommt die Antwort, so eine Auskunft dauert höchstens 20 Sekunden. Ich rufe an und werde mit einer freundlichen Bandstimme verbunden, die mich darüber aufklärt, dass zur Zeit sämtliche ihrer reizenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besetzt seien. Ich könne warten oder es etwas später etc. Nach einem Blick auf den Sekundenzeiger legt Balkonia auf. Das Gespräch hat mindestens 79 Rappen gekostet. Versuch es doch direkt beim Bahnhof Göschenen, kriegt Balkonia den Ratschlag. Diese Nummer ist nicht mehr in Betrieb, sagt die selbe Bandstimme von vorhin, die neue Nummer lautet: 051-227 58 20. Dort nimmt aber niemand ab.

Im Zeitalter der Elektronik werden die das ja wohl fertig gebracht haben, die Abfahrtzeiten auf einem der Autobahnschilder zu publizieren hoffen wir und fahren los. Jo chasch dänke! Wir fahren beide Routen über den Pass, was uns eine Ersparnis von Fr. 80.- einbringt. Zwei Drittel von diesem Vermögen investieren wir in ein feines z`Mittag im Gotthardhospitz, den Rest geben wir am Montag fürs Telefonieren aus. Es muss doch verflixt noch mal möglich sein, in unserem zivilisierten Land rauszukriegen, zu welcher Zeit Züge abfahren. Nach etwa einer Stunde ist es Kaspar gelungen den Geheimdienst an die Strippe zu kriegen. Von diesem bekommt er die Geheimnummer des Bahnhofs Göschenen, kriegt eine Verbindung mit dem Chef von dort und im Flüsterton die Information, dass die Züge jeweils um Viertel vor starten und das ab 10.45 bis 15.45 ausser Samstag und Sonntag, da fahren sie häufiger und - aber das müsse Kaspar für sich behalten - Allerheiligen sei kein Sonntag.

Na, sagt sich Balkonia, wenn alle Lastwagenchauffeure auch derart Zeit verplempern müssen, um rauszukriegen wo und wann sie gerade fahren können, werden wir während der Tunnelsperre in der Deutschen Schweiz nur Deutschschweizer Rosen kaufen können, die Tessiner werden sich ihre eigenen Blumen in die Vasen stellen und die Holländer können sich ihre Tulpen sonst wohin stecken. Eigentlich prima Aussichten, weil die Blümchen aus der Region länger halten und somit den Winter heraus stüdelen können.

Bis bald, Eure Balkonia

P.S.: Inzwischen ist alles wieder anders - vielleicht hilft die SBB-Homepage weiter...

Viele liebe Grüsse und bis bald, Eure Balkonia